Wenn Diabetes mellitus die Netzhaut schädigt
Die diabetische Retinopathie ist eine der häufigsten Erblindungsursachen bei Menschen im erwerbsfähigen Alter in Europa und Nordamerika.5 Lesen Sie hier, wie es zu der Erkrankung der Netzhaut kommen kann, welche Symptome sie hervorruft und welche Möglichkeiten Sie haben eine diabetische Retinopathie vorzubeugen.
So funktioniert die gesunde Netzhaut
Das Zentrum des Sehens
Mediziner nennen die durchsichtige Haut auf der Rückseite des Glaskörpers im Auge auch Retina. Sie enthält Millionen von Sinneszellen, die auf Lichtreize reagieren. Diese fangen das Bild, welches beim Sehen ins Auge fällt, wie auf einem fotografischen Film ein und geben es in Form von Nervensignalen an das Gehirn weiter.2
Die Linse bündelt das Licht, welches dann gebündelt auf der Netzhautmitte ankommt. Daher finden sich dort die Sinneszellen. Die Netzhaut wird über feinste Gefäße mit lebensnotwendigen Nährstoffen und Sauerstoff versorgt.
Was genau ist eine Retinopathie?
Definition der Augenerkrankung
Retinopathie bezeichnet wörtlich übersetzt ein „Leiden an der Netzhaut“ des Auges. Es handelt sich also zunächst um einen Sammelbegriff, der unterschiedlichste Veränderungen der Retina zusammenfasst. Darunter fallen beispielsweise Ablagerungen, Blutungen oder Flüssigkeitsansammlungen im Bereich der Netzhaut.13
Die Ursachen für Netzhautschäden können allerdings vielfältig sein. Deshalb unterscheiden Mediziner die jeweilige Form einer Retinopathie häufig anhand der zugrundeliegenden Ursache: Neben der Frühgeborenen-Retinopathie, bei der die feinen Blutgefäße zur Versorgung der Retina eines Säuglings nicht vollständig ausgebildet sind, kommt die sogenannte diabetische Retinopathie als Folge der Zuckerkrankheit oder Diabetis mellitus häufig vor.3,4
Diabetische Retinopathie:
Symptome und Verlauf
Lieber zum Arzt!
Eine diabetische Retinopathie entsteht, wie der Name vermuten lässt, als Folge einer Diabetes mellitus-Erkrankung: Der zu hohe Blutzuckerspiegel führt dazu, dass die feinen Blutgefäße, welche die Netzhaut mit Sauerstoff und Mikronährstoffen versorgen, auf Dauer dünner und somit durchlässiger werden.1
Aufgrund geschwächter Gefäße gelangt Blut in die eigentlich durchsichtige Netzhaut. Das kann die Sehkraft beinträchtigen.1 Die Erhaltung der Blutgefäße und eine ausreichende Versorgung mit Nährstoffen sind deshalb besonders wichtig für die Augengesundheit.
Frühstadium: Die nicht-proliferative diabetische Retinopathie
Zu Beginn einer solchen Retinopathie entstehen wegen der eintretenden Flüssigkeiten winzige Wölbungen auf der Retina, die das Sehvermögen zunehmend behindern können. Mediziner sprechen dann von einer nicht-proliferativen Form der Augenkrankheit. Das bedeutet: Die eher leichte Sehschwäche geht lediglich auf Verformungen zurück, nicht etwa auf neu gebildete Blutgefäße, wie das bei der proliferativen Retinopathie der Fall ist.
So verursachen beispielsweise kleine Einblutungen auf der Netzhaut den Eindruck von dunklen oder rötlichen Flecken im Gesichtsfeld. Auch Flüssigkeitsansammlungen, besonders im Bereich der Makula (Makulaödem), erzeugen möglicherweise einen unscharfen Seheindruck, der aber nicht dauerhaft anhalten muss.1
Auch wenn die Symptome recht eindeutig erscheinen, bleibt eine diabetische Retinopathie häufig unbemerkt – denn durch die langsame Entwicklung der Sehstörungen nehmen Betroffene sie oft erst gar nicht wahr.14 Da die feinen Blutgefäße allerdings sehr empfindlich sind, können die Veränderungen der Netzhaut bereits nach Wochen oder Monaten mit erhöhtem Blutzuckerspiegel auftreten.6
Achtung:
Bereits bei der Erstdiagnose eines Typ-2-Diabetes mellitus sollten Patienten laut Deutscher Diabetes Gesellschaft (DDG) umgehend einen Augenarzt konsultieren. In der Folge raten Mediziner außerdem zu mindestens einer Kontrolluntersuchung im Jahr.6
Proliferative diabetische Retinopathie: Netzhautdegeneration und ihre Folgen
Bleiben die Schädigungen der Retina unentdeckt und schreiten voran, regt das die Bildung neuer Blutgefäße an. Experten nennen die Form der Retinopathie proliferativ. Wachsen solche Gefäßneubildungen (Neovaskularisationen) unkontrolliert weiter, kann es zu größeren Einblutungen, auch in den Glaskörper des Auges, kommen. In der Folge ist eine Narbenbildung auf der Netzhaut möglich.
Insbesondere Diabetiker sollten deshalb folgende Alarmsignale ernst nehmen und umgehend ärztlich abklären lassen:7
- zeitweise oder plötzlich auftretendes verschwommenes Sehen
- schwarze Punkte oder Flecken im Sichtfeld (sogenannter Rußregen)
- Doppelbilder und Schwierigkeiten bei der Augenbewegung
- blitzende Lichter im Gesichtsfeld
- unmittelbarer, schmerzloser Verlust des Sehvermögens
Spätestens bei solchen Symptomen ist der Besuch beim Arzt dringend notwendig – denn sie weisen unter Umständen bereits auf schwere Komplikationen wie eine Netzhautablösung oder eine schmerzhafte Schädigung des Sehnervs (Glaukom) hin. Bleibt die diabetische Retinopathie weiterhin unbehandelt, kann es im schlimmsten Fall zu einer vollständigen Erblindung kommen.
Diagnose und Verfahren –
so erkennt der Augenarzt eine Retinopathie
Warum ist Prävention unentbehrlich?
Da Patienten die frühesten Anzeichen einer diabetischen Retinopathie meist kaum oder gar nicht bemerken, ist eine regelmäßige Vorsorgeuntersuchung beim Augenarzt besonders wichtig. Die Netzhautuntersuchung gestaltet sich wenig aufwendig und völlig schmerzfrei: Denn bereits mit einer Lampe und einem Augenspiegel ist der Mediziner in der Lage, den Augenhintergrund auf Veränderungen zu überprüfen. Gegebenenfalls erhalten Patienten auch Augentropfen zur Pupillenerweiterung, um den Lichteinfall auf die Netzhaut zu verbessern.
Interessant:
Forscher haben kürzlich einen Augenspiegel als Aufsatz für Handykameras entwickelt, mit dem Betroffene die Vorsorgeuntersuchungen für diabetische Retinopathie sogar per Smartphone wahrnehmen können. Während einer Studie im indischen Bangalore ließen sich hiermit fast 80 Prozent der Netzhautschäden erkennen, sogar in Frühstadien.8
Um die einzelnen Gefäße besser sichtbar zu machen, hat der Medizinier die Möglichkeit der Fluoreszenzangiografie. Die Fluoreszenzangiografie ist eine Methode zur Darstellung der Gefäße der Netzhaut (Retina). Dabei nutzt man einen fluoreszierenden Stoff als Kontrastmittel. Spritzt man das Kontrastmittel in eine Armvene, so verteilt es sich in allen Gefäßen und strömt nach zehn bis 15 Sekunden in die Netzhautgefäße. Beleuchtet man nun das Auge mit kurzwelligem, blauen Licht leuchtet der Farbstoff auf. Die Verteilung des Farbstoffes im Auge wird mithilfe einer Kamera erfasst.9
Retinopathie bei Diabetes:
Behandlung am besten im Frühstadium
Keine Zeit verstreichen lassen
Je früher der Facharzt eine Retinopathie erkennt, desto besser stehen auch die Aussichten für eine erfolgreiche Therapie. In einem anfänglichen Krankheitsstadium lassen sich so womöglich schwere Netzhautschäden vermeiden und eine Erblindung (Visusverlust) verhindern.
Bei einer nicht-proliferativen Retinopathie verödet der Arzt beispielsweise mithilfe eines Lasers gezielt einzelne Gefäße. So ist es möglich, Gefäßneubildungen zurückzudrängen und durchlässige Stellen in den Äderchen zu reduzieren. Zwar tritt dadurch häufig keine spürbare Sehkraftverbesserung ein, jedoch lassen sich mit der Methode weitere Netzhautschäden meist abwenden.1
Flüssigkeitsansammlungen, wie das Makulaödem, sind außerdem gut durch eine Medikamentengabe in den Glaskörper des Auges zu behandeln. Auch wenn die Therapie meist mehrfach erfolgen muss, verbessert sich die Sehkraft mit dem nahezu schmerzfreien und risikoarmen Eingriff oft erheblich.11
Dem Krankheitsstadium der proliferativen Retinopathie ist dagegen häufig nur noch mit einem größeren operativen Eingriff zu begegnen. Mit zunehmendem Fortschreiten der Erkrankung schwinden die Erfolgsaussichten allerdings deutlich – denn eine schwerwiegende Netzhautdegeneration, beispielsweise durch eine Netzhautablösung, ist in den meisten Fällen kaum wiederherzustellen und kann im schlimmsten Fall zur Erblindung führen.12 Regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen und Präventionsmaßnahmen sind deshalb für Diabetiker besonders wichtig.
Einer Retinopathie bei Diabetes vorbeugen – so geht’s
Vorsorge ist besser als Nachsorge
Da es sich bei Diabetes mellitus um eine chronische Erkrankung handelt, steigt das Risiko für Netzhautschäden mit der Dauer der Erkrankung immer weiter an: So finden sich nach 20 Jahren bei bis zu 90 Prozent der Betroffenen Gefäßveränderungen, die häufig auch die Retina betreffen. In vielen Fällen geht das Leiden außerdem mit einem erhöhten Blutdruck einher, was das Risiko für eine Retinopathie zusätzlich erhöht.5
Dabei kann sich die Beschaffenheit der Blutgefäße innerhalb relativ kurzer Zeit verschlechtern: Je nachdem, wie sehr der Blutzuckerspiegel vom Ideal abweicht, können sich die Veränderungen zum Teil bereits innerhalb weniger Wochen oder Monate entwickeln.12 Gerade nach der Erstdiagnose eines Diabetes mellitus Typ-2 sollte der Arzt deshalb immer auch ein Augenscreening vornehmen: Laut einer Studie sind bereits bei rund 30 Prozent der diagnostizierten Diabetes-Typ-2-Patienten Netzhautveränderungen erkennbar.4,12
Neben der jährlichen Vorsorgeuntersuchung beim Augenarzt ist aber vor allem ein gesunder Lebenswandel zur Vorbeugung einer Retinopathie wichtig: Die möglichst stabile Einstellung des Blutzuckerspiegels auf normnahem Niveau stellt dabei die Grundlage dar. Betroffene sollten deshalb nicht nur ihre Medikamente verordnungsgemäß einnehmen, sondern auch auf eine ausgewogene Ernährung achten. Regelmäßige körperliche Aktivitäten, wie Spazierengehen oder Sport helfen außerdem dabei, den Stoffwechsel zu stabilisieren.10,11
FAQs: Häufig gestellte Fragen zum Thema Retinopathie
Das Wichtigste rund um die Erkrankung in aller Kürze
- Was bedeutet Retinopathie?
-
Der Begriff Retinopathie steht allgemein für ein Leiden der Netzhaut und fasst als Sammelbegriff unterschiedliche Erkrankungen der Retina zusammen. Häufig zeigt sich eine Retinopathie im Zusammenhang mit Diabetes mellitus.12
- Welche Symptome treten bei diabetischer Retinopathie auf?
-
Eine beginnende Retinopathie zeigt zunächst kaum Symptome. Mit Fortschreiten der Krankheit kann es zu dunklen oder rötlichen Flecken im Sichtfeld, Rußregen oder Lichtblitzen sowie verschwommenem Sehen kommen. Unbehandelt droht schließlich der vollständige Verlust der Sehkraft.
- Wie lässt sich einer diabetischen Retinopathie vorbeugen?
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Diabetiker sollten möglichst direkt nach der Diagnose und in der Folge mindestens einmal im Jahr eine Vorsorgeuntersuchung beim Augenarzt durchführen lassen.1 Eine langfristige Diabetes-Therapie mit stabilen Blutzuckerwerten auf normnahem Niveau minimiert außerdem das Risiko einer Retinopathie erheblich.12
- Ist eine Retinopathie bei Diabetes heilbar?
-
Als Folgeerscheinung eines chronischen Diabetes mellitus lässt sich die diabetische Retinopathie nicht dauerhaft heilen. Bei frühzeitigem Eingreifen ist es jedoch möglich, den Krankheitsverlauf deutlich zu verlangsamen oder sogar ganz aufzuhalten und so einen Verlust des Augenlichts zu verhindern.12